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Thema: Reading Challenge 2018 – Zeit zum Lesen! [Abgeschlossen]

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  1. #1
    Ich habe gerade Murder on the Orient Express beendet und muss sagen, dass es mich verglichen mit And Then There Were None doch positiv überrascht hat. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass es meiner Meinung nach wesentlich besser geschrieben ist obwohl es fünf Jahre vorher veröffentlicht wurde. Sprich die Dialoge wurden schön in den Text eingearbeitet anstatt so furchtbar script-artig zu klingen. Es mag zwar insgesamt weniger passieren, aber dafür findet auch eine richtige Untersuchung statt die es einem eventuell erlauben würde den Fall selber zu lösen (was mir allerdings nicht gelungen ist). Das läuft zwar darauf hinaus, dass circa 100 Seiten nur ein Verhör nach dem anderen abgehandelt wird ... und es nach ein paar Untersuchungen noch weitere Verhöre gibt, aber es hat mich eigentlich nie gelangweilt. Und obwohl ich drauf und dran war die Auflösung als sehr unwahrscheinlich abzutun, hat sie schlussendlich doch noch die Kurve gekriegt. And Then There Were None hat das meiner Ansicht nach nicht ganz so gut hinbekommen.

    Von daher weiß ich jetzt nicht was ich jetzt von The Murder of Roger Ackroyd zu erwarten habe. Aber ich hoffe einfach mal, dass es mehr wie Murder on the Orient Express als wie And Then There Were None ist Letzteres hatte zwar ein interessantes Konzept, aber Umineko hat das imo wesentlich besser umgesetzt

  2. #2
    Und durch mit Der Richter und sein Henker.


    Der Richter und sein Henker von Friedrich Dürrenmatt ist eine interessante, im frühen 20. Jahrhundert angesiedelte Detektivgeschichte, die mir hauptsächlich wegen der nüchternen und distanzierten Erzählweise gefallen hat. Dürrenmatt schafft es meiner Meinung nach hier ganz gut, das Geschehen ausführlich zu beschreiben, ohne dabei zu langweilen. Dieser Erzählstil hilft der eigentlichen Handlung ebenfalls sehr, die zwar eine klassische Detektivgeschichte bleibt, aber dennoch spannend und unterhaltsam ist. Die moralische Pointe bleibt da allerdings etwas auf der Strecke und die Auflösung leidet etwas unter den zum Leser zu distanzierten Charakteren, weswegen das Buch in meinen Augen kein Must-Read ist.

    100 Seiten, Cipo!

    Das nächste wird dann das zweite Expanse-Buch sein. Vermutlich bin ich damit erst im April durch.

    Geändert von Byder (11.02.2018 um 03:40 Uhr)

  3. #3
    Darf ich noch mitmachen? Ich glaube ich schaffe so acht bücher, aber weil ich mich herausfordern will, versuche ich zehn. Eines habe ich schon geschaft, zählt das? Es war HIPPOKRATES IN DER HÖLLE. Und gerade bin ich bei world war Z.

  4. #4
    Klar doch! =) Ich trag dich ein.

  5. #5
    Ich mache auch mit und setze mir mal 12 Bücher zum Ziel - eins pro Monat, auch wenn wir schon Februar haben. Da ich dieses Jahr beschlossen habe, meine Agatha Christie-Sammlung auszubauen, kommt das ganz gut (und ich kann mit Jack quatschen, yay!). Natürlich finge ich dann auch mit einem nicht-Christie-Buch an:




    Februar
    Sarah Kuttner (2009), Mängelexemplar

    "'Eine Depression ist ein fucking Event!'
    Meine Güte.
    Mein neuer Psychiater gebärdet sich wie ein Popstar. Selbstbewusst sitzt er hinter seinem Schreibtisch, vor sich eine Flasche Bionade und auf dem Gesicht ein recht gefälliges Niels-Ruf-Grinsen.
    Das verwirrt mich. Bionade und Niels Ruf kenne ich nämlich aus dem richtigen Leben, beide haben in meiner psychiatrischen Praxis bitteschön nichts verloren."


    Karo ist mitte-ende 20, frisch arbeitslos, mit ihrer Beziehung nicht mehr so richtig glücklich - und findet sich plötzlich in einer Depression wieder. Keine "Mh, heute geht's mir nicht gut, ich bin wohl deprimiert"-Depression, eine richtige "Panikattacken-in-der-Nacht"-Depression, in der sie sich plötzlich selbst nicht mehr über den Weg traut und in der alles einfach nur schlimm ist.
    Trotz der finsteren Thematik liest sich das Buch sehr witzig und flüssig, aber ganz ohne dabei Dinge allzu sehr zu beschönigen oder zu verklären: Mängelexemplart gibt ziemlich realistische Einblicke, wie so eine Depression ablaufen kann. Es räumt auf mit Missverständnissen und Vorurteilen - dass ein Psychiater kein Psychotherapeut ist, warum man denn Kreislauftabletten anstandslos nimmt aber bei Antidepressiva erwartet, dass der Körper jetzt bitte auch wieder von alleine klarkommt, warum "reiß dich mal zusammen" ein selten dämlicher Rat ist - und vermittelt, dass es auch okay ist, sich ernsthaft beschissen zu fühlen und man damit nicht einmal alleine ist.

    Natürlich ist in ~260 Seiten Belletristik kein Platz für eine umfassende Abhandlung, zusammen mit sorgfältiger Abwägung von Pro und Contra und Behandlungsmethoden und überhaupt, aber darauf legt es Sarah Kuttner auch nicht an: Sie beschreibt, wie eine Depression verlaufen, wie der Weg dadurch aussehen kann, und bringt damit auch Menschen die das Glück haben, davon unberührt geblieben zu sein, die Thematik näher - und vermittelt anderen womöglich ein Gefühl á la "Sowas, du auch hier? Was ein Zufall!". Meiner Meinung nach ein toller Beitrag, Depressionen zu ent-stigmatisieren und damit sowohl Betroffenen als auch nicht-Betroffenen ein kleines bisschen den Umgang damit zu erleichtern.

    ★★★★★ (5/5)




    @Jack:
    The Murder of Roger Ackroyd hatten wir in der Uni behandelt und ich fand es hervorragend. Bin auf deine Eindrücke gespannt. And Then There Were None habe ich dafür gerade angefangen.

    Geändert von BDraw (18.02.2018 um 12:11 Uhr)

  6. #6
    Bist dabei!

  7. #7
    Zitat Zitat von BDraw Beitrag anzeigen
    @Jack:
    The Murder of Roger Ackroyd hatten wir in der Uni behandelt und ich fand es hervorragend. Bin auf deine Eindrücke gespannt. And Then There Were None habe ich dafür gerade angefangen.
    Wird aber noch ein bisschen dauern bis ich das mal anfange. Zwei Werke von ihr hintereinander reichen erstmal. Von And Then There Were None will ich mir demnächst aber vielleicht mal diese dreiteilige Serie anschauen. Da dürften mich zumindest die Dialoge nicht stören

    Ich habe heute außerdem die ersten 100 Seiten von Collection Fiction - H.P. Lovecraft - A Variorum Edition: Volume 1 gelesen, aber wirklich überzeugt hat mich das noch nicht. H.P. Lovecraft kann zwar offensichtlich gut schreiben, aber storytechnisch lassen seine Geschichten momentan noch zu wünschen übrig, was sicherlich auch an ihrer Kürze liegt.

    So hatte The Beast in the Cave zwar eine gute Prämisse, den Twist am Ende fand ich aber etwas lächerlich präsentiert, vor allem aufgrund der Masse an Ausrufezeichen die darauf folgte. It had at one time been a MAN!!!
    The Alchemist war da schon besser, nur musste ich mir am Ende die Frage stellen: "Ja und? Wurde das nicht gerade schon enthüllt?" Auch wenn der Protagonist das scheinbar nicht verstanden hat.
    The Tomb war dafür nur okay.
    Dagon widerrum hatte einiges an Potenzial, aber der Horror war quasi vorbei bevor er überhaupt beginnen konnte. Mir ist zwar klar, dass H.P. Lovecraft einem die Monster nicht unbedingt ins Gesicht wirft, aber ein bisschen mehr hätte ich trotzdem nicht schlecht gefunden.
    A Reminiscience of Dr. Samuel Johnson fand ich dafür furchtbar langweilig und auch noch schlecht geschrieben. Das soll zwar scheinbar eine akkurate Nachahmung des Stils des 17. und 18.Jahrhunderts sein ... aber ne
    Polaris war zwar wieder besser geschrieben, lief aber nicht wirklich auf irgendwas hinaus.
    Und Beyond the Wall of Sleep war zwar interessant, aber mehr auch nicht.

    Die Fußnoten dieser Sammlung finde ich außerdem recht nutzlos. Am Anfang wird ein bisschen was über unterschiedliche Fassungen der jeweiligen Stories gesagt, aber wirklich interessant ist das auch nicht.
    Aber mal schauen wie der Rest so ist. Sind ja noch so 400 Seiten. Und an sich gäbe es ja noch weitere Bände dieser Variorum Edition, aber ob mir seine späteren Stories besser gefallen weiß ich ja nicht.

    Geändert von ~Jack~ (18.02.2018 um 17:11 Uhr)

  8. #8
    Ich wünschte, ich könnte mit Lovecraft mehr anfangen, aber was ich bisher von ihm gelesen habe war mehr anstrengend als unterhaltsam. Aus Popkulturgründen werde ich mir nochmal ein Sammelband zum Cthulhu-Mythos besorgen und es wahrscheinlich dann auch damit belassen. Wie bist du da zurechtgekommen?

    Edit:
    Zitat Zitat von Jack
    Mir eine Sammlung zu besorgen?
    ....

    Geändert von Byder (18.02.2018 um 17:58 Uhr)

  9. #9
    Zitat Zitat von Byder Beitrag anzeigen
    Wie bist du da zurechtgekommen?
    Mir eine Sammlung zu besorgen? Da hab ich einfach bei reddit nachgeschaut welche Sammlung am besten ist. Diese Variorum Editionen sind zwar nicht die billigsten, schon weil es eben mehrere Bände sind, aber dafür ist die Qualität ganz gut. Gibt zwar auch Komplettsammlungen mit über 1000 Seiten, aber so einen riesigen Wälzer hätte ich nicht unbedingt am Stück lesen wollen, schon weil die Qualität da nicht so gut sein soll. Sowas hatte ich ja schon mit einer 3er Sammlung von Ludlums Bourne Reihe, wo einige Seiten sich einfach mal gelöst haben. Hätte mir den Kauf zwar eigentlich auch sparen können weil man Lovecrafts Werke ja kostenlos online lesen kann, aber dann hätte ich vermutlich noch weniger Motivation die überhaupt zu lesen.
    Anstrengend fand ich die Geschichten bisher aber nicht, außer halt den Schreibstil von A Reminiscience of Dr. Samuel Johnson. Die hab ich deswegen aber auch mehr überflogen als gelesen, was aufgrund der langweilgen Story offensichtlich keine schlechte Idee war

  10. #10
    Zufällig den Thread hier gesehen und mir gedacht „Hey, du machst ja selbst eine kleine Bücherchallenge, dann kannst du die hier auch offiziell machen“ Habe das letzte Jahr fast gar nichts gelesen und möchte das unbedingt ändern.

    Ich plane erstmal mit diesen 6 Büchern: (bzw. eigentlich 12)

    1. J.K. Rowling - Harry Potter [aktuell: 6/7]
      Nochmal alle Bücher auf Englisch. Ich liebe diese Buchreihe über alles und war dank der guten Coldmirror wieder so gehyped, dass ich mir unbedingt den schicken Schuber mit allen Bänden holen musste.
    2. Robert Galbraith – Der Ruf des Kuckucks
      Für die, die es nicht wissen: Robert Galbraith ist ein Pseudonym von J.K. Rowling, unter dem sie seit 2013 Krimis veröffentlicht. Ich mag Harry Potter und habe ihren ersten „Erwachsenenroman“ „Ein plötzlicher Todesfall“ gelesen – da kann man den Krimis doch mal ne Chance geben, oder?
    3. Robert Galbraith – Der Seidenspinner
      s.o.
    4. Robert Galbraith – Die Ernte des Bösen
      s.o.²
    5. Walter Moers - Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr
      Die Zamonien-Romane gehören zu meinen absoluten Lieblingsromanen, da kann ich mir das neueste Werk natürlich nicht entgehen lassen! So lässt sich die schmerzhafte Wartezeit bis zur Veröffentlichung von „Das Schloss der Träumenden Bücher“ hoffentlich etwas besser überbrücken.
    6. Alexandre Dumas – Der Graf von Monte Christo
      Seit ich damals „Gankutsuou: The Count of Monte Cristo“, eine Anime-Adaption dieses Buches, gesehen habe, wuchs in mir das Interesse, das Original auch mal zu lesen. Bisher haben mich die 1200 Seiten jedoch abgeschreckt. (den Anime müsste ich auch mal wieder schauen…)

    Das sind erstmal die Bücher, die bei mir zu Hause rumstehen. Sobald die (hoffentlich) geschafft sind, werde ich gucken, was die Bücherei so hergibt Es gibt momentan nichts, was ich unbedingt lesen möchte, aber vielleicht kommen die Ideen mit der Zeit.

    (Das hier ist neben der JRPG Challenge und einer Anime Challenge auf einer anderen Seite meine dritte Challenge für dieses Jahr, wtf)

  11. #11
    Ich habe dich jetzt erstmal für 6 eingetragen, hab ich das richtig gelesen? ^^ Viel Spaß!

  12. #12
    @Jeidist:
    Oh, Galbraith kann ich sehr empfehlen! Das waren die besten neueren Krimis, die ich die letzten Jahre gelesen habe. Ich kenne die deutsche Fassung nicht, aber sollte mich wundern, wenn die allzu sehr gelitten haben sollte. Schilder gern mal deine Eindrücke!
    Ist aber sehr anders als Harry Potter oder Ein plötzlicher Todesfall, ich fand aber im positiven Sinne. Gerade Ein plötzlicher Todesfall fand ich furchtbar deprimierend. ^^;

  13. #13


    So, ich hab das Glasperlenspiel von Hermann Hesse durch.

    Eindruck

    Zuerst will ich noch mal unterstreichen, dass man dieses Buch nicht lesen sollte, wenn man nicht eine gewisse Vorstellung von dem Typen dahinter hat. Das macht wirklich keinen Sinn, es ist sozusagen Hesse Reloaded. Und eigentlich wollte ich hinter meinen ersten Satz oben direkt "Was ein Krampf!" schreiben, denn die ersten – I SHIT YOU NOT – 300 Seiten des Buchs sind meiner Meinung nach mega anstrengend, uninteressant und unglaublich lang gezogen. Es liest sich, als wäre jemand der Meinung gewesen, ein Buch bräuchte eine möglichst idiotensichere und umfassende Exposition, bevor es richtig losgehen kann, und dass diese Exposition auch schon mal die Hälfte der 600 Seiten fressen darf. Das Ganze ist zwar nicht ganz frei von Faszination (gerade durch das fiktive Setting, für das sich Hesse erstmal fett auf der ersten Seite rechtfertigt ), und ich bilde mir ein, ich hätte beim Steppenwolf eine ähnliche Erfahrung gemacht, aber in diesem Umfang geht das echt gar nicht, Intention oder Interpretation hin oder her. Es erinnert mich in diesem Sinne an Unterm Rad – zu wenig für so viel Text! – und wenn es nicht Hesse und nicht dieses Buch gewesen wären, hätte ich es schnell abgebrochen.
    Danach geht es dann aber aufwärts. Nicht nur bekommt die Hauptstory etwas Konflikt, etwas Fleisch, eine weniger konventionelle Auflösung, gerade die Gedichte und die fiktiven Lebensläufe des Hauptcharakters bringen eine Vielseitigkeit in das Buch, die es unbedingt braucht, um seinen Umfang zu rechtfertigen. Besonders der Beichtvater und der indische Lebenslauf haben mir dann richtig gut gefallen. Der Gesamteindruck wird dadurch "echt interessant", denn 300 Seiten Krampf vergesse ich nicht einfach, so gut mir das Ende auch gefallen hat. Und ich denke auch nicht, dass die dafür wirklich nötig gewesen sind.

    Inhaltlich geht es im Glasperlenspiel eigentlich um zwei verschiedene Themen.

    Meister und Schüler

    Das erste, die Beziehung zwischen Meister und Schüler, der Kreis des Lernens und Lehrens, wirkt sehr persönlich, fast als hätte sich Hesse hier nicht mit einem Thema beschäftigen, sondern seine eigenen Erfahrungen und Meinungen dazu niederschreiben wollen, um sie nicht zu vergessen. Was nicht per se schlecht ist, und vor allem am Ende ergibt das Ganze schon einen sehr runden Kreis, ein dickes Gesamtwerk in dieser Sache. Ich musste trotz allem öfter mal an Knights of the Old Republic II denken, das sich ja ebenfalls damit beschäftigt, an den Charakter Kreia, an Zitate wie dieses hier:
    Zitat Zitat
    "Manipulation is done through propelling events – or selected ones – into motion. It is done through teaching, through example, and through conviction. And the greatest of victories are not manipulations at all, but simply awakening others to the truth of what you believe."
    ...und irgendwie finde ich komisch, dass ein halbfertiges Obsidian-Videospiel dieses Thema für mich so viel eingängiger, so viel stärker angeht als Hermann Hesse. Aber hey, warum nicht? Es IST ein gutes Videospiel, und es idealisiert diese Beziehung nun mal nicht so einseitig, fokussiert sich nicht nur auf ihre scheinbare Allgemeingültigkeit als Baustein der menschlichen Realität, sondern stellt sie auch infrage und zeigt die Gefahren, die Irrwege und vor allem die Alternativen. Ich sage später noch mal was dazu, aber letztendlich verwendet Hesse eine Menge Energie, um sich ein nettes, rundes Weltbild aufzubauen, statt sich die tatsächliche Welt anzuschauen.

    Gefühl und Verstand

    Das zweite Thema stellt eigentlich nur den Hintergrund, den Konfliktherd für Meister und Schüler, nämlich diese uralte Wahrnehmung einer Distanz zwischen Instinkt und Verstand, Gefühl und Vernunft ... was heute tatsächlich deutlich aktueller scheint als das Hauptthema, wo man in den Staaten doch immer wieder den "Culture War" befeuert und sich wegen Trump streitet, wo man hierzulande über den Populismus sowie die Elfenbeintürme der Intellektuellen und Politiker wettert. Ich denke aber nicht, dass Hesse in dieser Sache eine hilfreiche Autorität ist, oder nur ein gut gemeintes Beispiel, wie man es nicht machen sollte.
    Denn so sehr er sich praktisch schon seit seinen früheren Büchern an einer Synthese versucht, so sehr er betont, dass auch die "Weltmenschen" eine Weisheit haben, die Joseph Knecht erstrebenswert und wertvoll erscheint – und die er in seinen letzten Lebensabschnitten auch zu erreichen scheint! –, so wahnsinnig distanziert liest sich all das, spätestens in diesem lahmen, Hochkultur-verliebten Schreibstil selbst. Der alte Hesse selbst ist offensichtlich ein astreiner Vorzeige-Intellektueller, der die "Weltmenschen" mit einer distanzierten Faszination betrachtet, immer noch von oben herab, wie einen Menschenzoo mit edlen Wilden. Anders gesagt, er will offenbar einen Riss zwischen Weltlichem und Geistigem aufzeigen, ist aber eigentlich Teil dieses Problems.

    Egozeit!

    An der Stelle trifft mich das Buch auch wieder sehr persönlich, was ich an Hesse schon immer geschätzt habe. Da ist eine Menge drin, mit der ich mich viel zu gut identifizieren kann, seien es Ideale, Ängste, Charakterprobleme, zwischenmenschliche Erfahrungen ... alles dabei. Beispielhaft nur mal dieses bekannte Gedicht hier.
    Zitat Zitat
    Stufen

    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
    Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
    Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
    Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
    Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
    Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
    Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
    In andre, neue Bindungen zu geben.
    Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
    Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

    Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
    An keinem wie an einer Heimat hängen,
    Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
    Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
    Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
    Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
    Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
    Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

    Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
    Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
    Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
    Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
    Geht mir schon sehr nah, und Hesses Schwächen selbst sind da auch wieder ein teils unangenehmer, teils beruhigender Spiegel.

    Hesse als arme Wurst

    ... deeeenn atsächlich habe ich beim Glasperlenspiel wieder DEUTLICH gemerkt, wie viele Probleme der Mann selbst mit sich herumgetragen haben muss, wie stark die sich in seinen Büchern niederschlagen, wie sie die Bücher sicherlich interessant, aber auch schlechter und fragwürdiger machen. Am offensichtlichsten finde ich im Glasperlenspiel etwa dieses Bild des zufriedenen sterbenden Mannes, der ja ach so erleuchtet ist, dass ihm die Welt nix mehr anhaben kann. Das war zwar nicht die einzige Stelle, an der sich eine gewisse Angst vor dem Tod durch die Zeilen schummelt, aber HOLY FUCK, wollte sich dieser Mann überzeugen, alles richtig zu machen! Oder es zumindest richtig machen zu können, bevor er draufgeht. Zynisch betrachtet ist das ganze Buch ein Versuch, ein Weltbild des "richtigen Lebens" zu bestätigen, eine Naturgegebenheit, und gerade durch die oben beschriebenen Widersprüche und die veralteten Momente wirkt das Ganze heute so. verdammt. traurig. Ein gutes Beispiel ist etwa auch die Sache mit dem lächerlich dualistischen Frauenbild und der homoerotischen Dimension: Alle zwei (!) wichtigen Frauen auf diesen 600 Seiten sind fleischliche Hindernisse, und wenn Hesse nicht ernsthafte Probleme gehabt hat, seine Gefühle und Beziehungen in Einklang mit seinem Selbstbild zu kriegen, fresse ich einen Besen.

    Wie gesagt, das ist natürlich alles ein Teil dessen, was ihn auch heute noch interessant und spannend macht. Aber während er früher ein absolutes Idol für mich war, sehe ich momentan gerade das Glasperlenspiel in vielerlei Hinsicht als ein hübsches und interessantes Glashaus, in dem bloß niemand mit Steinen werfen sollte.




    Damit läuft die Challenge! o/

  14. #14


    Eigentlich habe ich The Wishlist von Eoin Colfer (auf Deutsch: Meg Finn und Liste der vier Wünsche ) nur gelesen, weil es bei meinem letzten Artemis-Fowl-Paket dabei war, aber ich muss sagen, nice! Die 200 Seiten kann man auch sehr gut in einer Woche Busfahren durchlesen.
    Die Story dreht sich um die 14-jährige Meg Finn, die beim Versuch, einen sterbenden alten Mann auszurauben, umgebracht wird, und ihm nun als körperlose Seele dabei helfen muss, seine letzte Wunschliste abzuarbeiten, wenn sie nicht in der Hölle landen will.
    Ähnlich wie bei Artemis Fowl bringt Colfer hier eine Mythologie (in diesem Fall die christliche), Techno-Babbel und niedliche Charakterinteraktionen zusammen. Gerade, dass der zweite Hauptcharakter in einem Kinder-/Jugendbuch ein uralter, zynischer Mann ist, sieht man nicht so oft, und zusammen mit dem zickigen Teenie macht das die Dialoge ziemlich großartig. Tatsächlich geht das Buch aber auch recht emotional in Themen wie Tod und Bedauern, und am Ende hat es mich sogar ein bisschen mitgenommen.
    Artemis Fowl hat zwar das interessantere Setting (und die weniger kitschige Mythologie), aber The Wishlist ist in einem Buch abgeschlossen und insgesamt runder.

    On a roll! Wenn das so weiter geht, verdoppele ich meine eigene Liste noch! ^__~

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